Amerika (meine erste Reise) 1993
Da der Wunsch, etwas zu erleben, immer grösser wurde, beschloss ich also, eine Reise nach Amerika zu planen.
Ich erzählte mein Vorhaben einem Kollegen, auch er war begeistert von der Idee und so fingen wir an zu planen. Dies zog mich voll in den Bann und ich freute mich riesig auf das kommende Abenteuer. Am Schluss waren wir acht Personen, die diese Reise antraten.
Es ist so viel möglich auch im Rollstuhl, wurde mir bewusst.
Es ging los, obwohl ich keine Ahnung hatte, auf was ich bei der Reise achten musste. Da wir auch im Paraplegikerzentrum nachgefragt hatten, aber auch sie uns nicht beraten konnten, nahmen wir die Reise in Angriff, ohne weitere Abklärungen, was sich als riesiger Fehler herausstellen sollte.
Das grösste Problem war, dass ich ja nichts spüre an meiner Haut (keine Sensibilität) und deshalb auf Druckstellen achten und Vorsorge treffen muss.
Wir kamen in New York an und fuhren, nach einer Flugzeit von 9 Stunden, direkt ins Hotel. Ich legte mich hin und meine Mutter kontrollierte meine Haut. Es war ein echter Schock für meine Mutter als sie mein Gesäss sah; es war „knallrot“ und an einigen Stellen löste sich schon die Haut. Was macht man in so einer Situation? Zu Hause wäre dies kein Problem, aber in den Ferien, auf einer Reise?
Da es in Nordamerika sehr viele versehrte Kriegsveteranen gibt, ist das Land sehr fortschrittlich in Sachen Rollstuhl und Tetraplegie und wir mussten keine Angst haben, einen Arzt aufzusuchen.
Es gab zwei Möglichkeiten – entweder die Ferien abbrechen oder durchzuziehen. Wir entschieden uns für das Durchziehen, was am Anfang auch noch kein Problem darstellte.
Ich konnte also all die Sachen anschauen, die wir geplant hatten. Da wir ja in New York waren, sahen wir uns Manhattan an; dies war für mich ein riesiges Erlebnis.
Als ich mich auf dem Empire State Building wiederfand, gab es bei mir nur noch das Wort: „Wow“ und ich hatte ein riesiges Glücksgefühl. Ich fühlte mich im Einklang mit mir, mit meinem Schicksal und mit meinem Dasein – und wusste, was mein Leben in Zukunft bringen soll. Dieses Glücksgefühl hielt sich aber nicht lange, denn die Realität kam sehr schnell zurück. Als ich ins Bett transferiert wurde und meine Mutter mein Gesäss anschaute, hatten sich einige Hautfetzen schon gelöst. Es kam eine blutige Wunde darunter hervor. Eigentlich hätte ich mein Gesäss jetzt bis zur Verheilung konsequent entlasten müssen und mich nicht mehr hinsetzen dürfen. Wir hatten jedoch absolut keine Erfahrung mit Druckstellen, wie auch?
„Ich bin für drei Wochen in den Ferien und will diese Zeit, so gut es geht, geniessen!“, war deshalb meine Antwort. Was auch alle verstanden, bis auf mein Körper. Wir machten also weiter und flogen nach San Francisco, was nicht mehr so lange dauerte wie der erste Flug. Dort mieteten wir ein Auto und fuhren den Highway 1 hinunter nach Los Angeles. Ich merkte immer mehr, je länger die Reise dauerte, dass etwas mit meinem Körper nicht stimmte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch noch nicht erkannt, dass mein Körper mir förmlich zuschrie: „Höre auf mich!“
Dabei merkte ich schon, dass etwas mit der Spastik nicht stimmte. Da ich den anderen die Ferien nicht verderben wollte, probierte ich die Symptome zu unterdrücken; dies ging bis New Orleans eigentlich recht gut. Dann fing mein Körper an zu rebellieren und ich bekam Fieber. Es blieb uns nichts anders übrig, als in ein Spital zu fahren und das Fieber mit Antibiotika zu unterdrücken – es war unterdessen gegen 40 Grad gestiegen.
Okay, und so konnten wir auf unserer Reise auch noch die letzte Destination besuchen. Für mich war dies aber dann der absolute Horror – mir war schlecht, ich hatte immer noch Fieber und meine Blase machte ebenfalls Probleme.
Ich war noch nie in meinem Leben so froh, als die Ferien zu Ende waren.
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